Wicca in der modernen Entwicklung

 

Bekannte Vertreterinnen dieser dianischen (feministisch) Richtung wie etwa Zsuzsanna Budapest sehen Wicca als Religion der Frauen.

 

Auch die politisch überaus aktive kalifornische Hexe Starhawk ist der Meinung, daß Wicca als Kult der Göttin zu verstehen ist, indem die Große Mutter dem männlichen Prinzip übergeordnet ist. Sie arbeitet allerdings rituell mit Männern zusammen.

 

Der große Erfolg liegt in dieser weiblichen Sichtweise wohl begründet. Wicca ist eine Religion, die Frauen eine starke und stolze Rolle zuspricht, indem sie die weiblichen Zyklen mit einbezieht (z.B. in den Vollmondfesten). Für viele Frauen rückt Wicca auch die Verhältnisse wieder zurecht: Nach jahrhundertelangem Patriarchat wird die historische und kulturelle Erinnerung an das heidnische vorchristliche Matriarchat erheblich aufgefrischt.

 

Letztlich geht es modernen Wicca-Strömungen darum, durch die Betonung des Sakral-Weiblichen und der dem entsprechenden Anerkennung der Frau, wie sie auch bei unseren heidnischen Vorfahren (Kelten und Germanen) üblich war, die Pendelbewegung der Macht zwischen den Geschlechtern bewußt in der Zukunft mittig auszugleichen und eine reale und wirkliche Balance zu schaffen.

Betrachten wir die globalen Problematiken, kann ein derartiger Ansatz nur sinnvoll sein.

Verschiedene heidnische Richtungen schließen sich für die Anhänger des Wicca nicht zwangsläufig aus. Mitglieder eines Wicca-Covens können auch anderen spirituellen Gruppen, anderen magischen Kulten oder den Weltreligionen angehören. Obwohl viele Coven z.B. die christliche Kirchenzugehörigkeit ablehnen, gibt es etliche, die auch das zulassen.

 

Einige Wicca arbeiten mit der afrikanischen Voodoo-Magie oder der mittel-/lateinamerikanischen Santeria, dem indigenen Schamanismus Nordamerikas oder dem keltischen Druidentum. In den letzten Jahrzehnten bildeten sich eigenständige Ströme heraus, die Elemente anderer spiritueller Wege in ihre Rituale integrierten.

 

Wicca ist eine kreative kultisch-religiöse Bewegung, die alte magische Traditionen nur dann bewahrt, wenn sie sinnvoll sind und den Anforderungen der heutigen spirituellen Entwicklung genügen. Dies ist auch im nachweislichen Sinne Gerald Gardners, der das traditionelle BOS kreativ überprüft und ergänzt wissen wollte, von den nachfolgenden Generationen.

Dennoch wird nicht alles Alte verworfen, denn die Wurzeln sind der Großen Mutter heilig. Die Erinnerung daran, woher wir kommen, ist den meisten Wicca wichtig. Denn ohne Wurzeln kann der Baum nicht wachsen.

 

Wicca ist eine innovative Strömung im Neuen Äon des Horus. Auch das macht die Attraktivität von Wicca in heutiger Zeit aus. Dies sollte aber nicht so verstanden werden, daß Beliebigkeit die Rituale oder Zeremonien bestimmt.

Die Magie in unseren Landen bezieht sich in erster Linie auf heidnische, vorzugsweise keltische, aber auch zunehmend germanische Traditionen, ohne daß Letztere etwas mit dem nationalsozialistischen Mißbrauch zu tun hätten.

Leider werden germanisch orientierte Wicca gern in die braune Schublade gesteckt. Dabei geht es vornehmlich darum, unser Erbe (z.B. Runen) wieder zu erwecken und die Energien positiv zu nutzen, die geschlossenen tabu-beladenen Symbole (wie die Swastika) behutsam zu öffnen und mit den befreiten Energien zum Wohle der Gemeinschaft zu arbeiten, sie möglicherweise weiterzuentwickeln.

 

Auch ägyptische Mysterien und Symbole spielen immer noch eine besondere Rolle in vielen Coven. Die Beeinflussung durch die "Eleusinischen Mysterien", die im alten Griechenland eine entscheidende Rolle für den ernsthaften Sucher bereit hielten, sind ebenfalls deutlich. In Eleusis wurden die Jahreszeiten kultisch mit Festen gefeiert und Initiationsriten in Mysterien vollzogen.

Diese Vermischungen führen zu immer neuen Zweigen im Wicca-Kult.

In den letzten zwanzig Jahren bilden diese alchemischen Prozesse ständigen Anlaß für Mißverständnisse. Viele Wicca vertreten inzwischen die Auffassung, daß alle heidnischen und naturreligiösen Ströme innerhalb des Kultes Gemeinsamkeiten aufweisen (= z. B. das Ziehen des Kreises, die Anrufung der Himmelsrichtungen, die Ehrung der Elemente), die sich in einer Wicca-Kern-Tradition zusammen fassen lassen. Diese besteht zweifelsfrei und sorgt für einen lebendigen und haltenden Stamm, aus dem viele Zweige wachsen. Der Ethnologe Michael Harner stellte ähnliche Überlegungen für den Schamanismus an.

 

Schamanismus erlebt seit einigen Jahren in den westlichen Ländern eine enorme Wiedergeburt. Anfang der 80er Jahre kam der Schamanismus mit den historisch bedeutenden Kongressen von Alpach in den deutschsprachigen Raum.

Es folgte das "Planetary Rainbow Gathering" in Interlaken, wo sich erstmals Vertreter aller führenden Religionen und Kulturen des Planeten Erde zusammen in das indianische Medizinrad setzten.

Vertreter der indigenen Völker, die in den letzten zwanzig Jahren nach Europa kamen, wiesen immer wieder darauf hin, daß es nicht ihr Ziel sei, die Europäer zu indianisieren. Wir Europäer sind keine Indianer und auch meistens viel zu domestiziert, um Schamanen im ursprünglichen Sinne zu sein, die sich, wie alle indigenen Völker, stark von ihren Instinkten leiten lassen.

 

Diese positive Fähigkeit haben wir leider verloren. Obige Ratgeber sahen sich als Initialzünder, damit die eigenen europäisch-schamanischen Wurzeln entdeckt werden und ein neuer/alter "Stamm" mit vielen Zweigen wachsen kann.

Nach ihren Worten, die immer noch aktuell sind, gilt es, die heidnisch-schamanischen Traditionen in Europa wieder zu beleben bzw. das Wenige zu entdecken, das unsere Vorfahren an brauchbarem Material überliefert haben.

Vielleicht ist es sogar notwendig, entsprechende Rituale auf der weltweit ähnlichen Struktur des Schamanismus mit der Färbung unserer eigenen kulturellen und magischen Bedürfnisse kreativ zu erfinden! Etliche engagierte Wicca in Europa sind dabei, diese Arbeit zu tun. Nicht umsonst heißt unser Kult "Die Kunst".

 

Geschichtlich wurden durch den christlichen Glauben und die spätere Inquisition die keltischen und germanischen Stammesgemeinschaften in Europa vollkommen ausgelöscht und langfristig verdrängt.

Das schamanische Wissen konnte nur noch in einigen Familien im Verborgenen geschützt überleben, die möglicherweise eben jene waren (und sind), die das Hexenwissen bis in unsere Zeit an ihre Nachkommen authentisch weitergeben

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Insofern ist die alte Wicca-Tradition möglicherweise viel älter, als es in den beschriebenen Wiederbelebungen durch Gardner und Sanders und vielen anderen dargestellt ist. Es gibt Stimmen, die glaubhaft behaupten, daß die Wicca einer europäisch-schamanischen Ur-Religion entstammen, die bis in die Steinzeit zurückreicht. Die ganze historische Geschichte mag wahr sein, ist aber jedenfalls nicht mehr konsequent ungebrochen nachzuvollziehen.

Insofern ist es müßig, darüber zu debattieren. Wichtiger ist, was engagierte Wicca gegenwärtig gestalten und wohin die Bewegung evoluiert.

 

Ab 1984/85 wurden in einer alchemischen Zeremonie die keltischen Wicca-Elemente der TBW durch Berthold Röth und die schamanisch-indianischen Sonnentanzlehren der Süßen Medizin (Deer Tribe Metis Medicine Society) durch die Medizinfrau Diane Seadancer erfolgreich vermischt. Daraus entstand die Tradition der Celtsun-Medizingesellschaft, aus der die Celtsun-Wicca entspringen und eine eigenständige Gruppe bilden.

Das Wort Celtsun bedeutet "Celt" für "Keltisch" und "Sun" für den indianischen "Sonnentanz".

Hier vereinigt sich die Sonne mit dem Mond (Wicca), das Feuer mit dem Wasser (Wicca). Gemeinsam erschaffen sie einen Regenbogen. Den Regenbogenmenschen, den "rainbow-people" gehört nach einer indianischen Prophezeiung die Zukunft der Erde. Denn trotz der verschiedenen Hautfarben der menschlichen Rassen fließt in uns allen dasselbe (sowieso längstvermischte) rote Blut, ist die Farbe unserer Knochen weiß und die Liebe unserer Herzen alles umfassend.

"Rainbow-people - with one heart and many colours"

 

Seit 1996 wächst ein deutsches Netz, in dem Gardnerian-Wicca, Alexandrian-Wicca, Celtsun-Wicca, Istari-Wicca, Freifliegende, Wikinger, Thelemiten, O.T.O., Vertreter druidischer und daoistischer Traditionen und die Vertreter des Earth Lodge-Organisationskreises sich begegnen können.

Durch die Unterstützung des Aufbaus neuer heidnischer Bruder- und Schwesternschaften wird außerdem ein besseres Verhältnis zwischen den Geschlechtern gefördert sowie die Vereinigung der ursprünglichen Stämme Europas angestrebt.

Damit unterstützen die genannten Wicca-Linien auch die Vision von Hyemeyohsts Storm, der 1995 das Black Horse Kriegsmedizinrad für Europa errichtet hatte, welches für die nächsten 12 Jahre Europa umgestalten würde. Zu den sog. Shamanic Wicca (Oberbegriff) zählen sowohl die traditionell und in über zwanzigjähriger Linie stehenden Celtsun-Wicca als auch die neue Linie der Istari-Wicca.

"Lasst uns eins sein (im Kreis), um die Kraft zu verehren, die Kraft, die das Universum bewegt. Merry meet again!"